Es scheint uns so, als gäbe es zwei verschiedene Realitäten: Die Realität einer äußeren Welt, die von uns unabhängig existiert und die Realität unserer Gedanken und Empfindungen, mit der wir uns identifizieren. Es erscheint uns so, als gäbe es ein Außen und ein Innen, zwei verschiedene Räume, die sich nicht durchdringen. Und doch beeinflusst die äußere Realität unsere Gedanken und umgekehrt können sich unsere Gedanken im Außen ausdrücken. Mein müder Geist setzt die Kaffeemaschine in Gang und das Koffein in meinem Kaffee stimuliert den müden Geist. Das ist eine wohl kaum zu leugnende Tatsache. Wenn aber zwei Bereiche sich gegenseitig beeinflussen, dann können sie nicht wirklich getrennt sein. Selbst wenn sie sich substantiell tatsächlich unterscheiden, bräuchte eine solche Interaktion zwischen den Realitäten eine dritte Meta-Realität, die für die Verbindung sorgt. Die Tatsache, dass die äußere Realität und die innere geistige Welt wechselwirken, beweist am Ende, dass es nur eine einzige gemeinsame Realität geben kann, die beide scheinbar getrennte Bereiche einschließt.
Der monistische Materialismus löst das Problem, indem er alle Weltvorgänge auf eine materielle Grundsubstanz zurückführt. Auch das Phänomen, das wir als Bewusstsein bezeichnen, leitet er aus materiellen Wechselwirkungen subatomarer Teilchen ab. Bewusstsein ist demnach eine lokale Erscheinung, die in den einzelnen Lebewesen aufgrund von biochemischen Vorgängen zutage tritt und mit diesen auch wieder erlischt. Da Bewusstsein, so verstanden, eine materielle Erscheinung darstellt, lässt es sich objektivieren und wie andere physikalische Gegenstände z.B. messtechnisch behandeln. Damit erfasst der Materialismus recht erfolgreich die spezifischen Ausprägungen der Bewusstseins-Inhalte, die er auf neuronale Verknüpfungen im Gehirn zurückführen kann.
Nun bedeutet Bewusstsein aber nicht nur eine Ansammlung von objekthaften Eindrücken (wie die Daten in einem Computer), sondern umfasst auch die bezeugende Funktion, also die Tatsache, dass wir uns der speziellen Inhalte gewahr sind. Wir sind sozusagen hinter den wahrgenommenen Inhalten bewusst anwesend und erleben diese Inhalte. Diese bewusste Anwesenheit ist nicht zu leugnen, sie stellt sogar die einzige unumstößliche Gewissheit dar, die wir haben. Die Erfahrung unserer bewussten Anwesenheit ist keine objekthafte, sondern sie stellt eine nicht-objekthafte Erfahrung dar. Sie lässt sich anhand von Untersuchungen der äußeren Welt, unserer Gedanken oder unserer sonstigen Wahrnehmungen nicht verifizieren. Nirgendwo in der von uns wahrgenommenen Welt lässt sich erkennen, dass wir bewusst sind. Und dennoch wissen wir, dass wir bewusst sind.
Es gibt also neben den von uns wahrgenommenen materiellen und geistigen Objekten eine weitere immaterielle Dimension, die das gegenwärtige Bezeugen, Erfahren bzw. Erleben der genannten Inhalte umfasst. Diese bezeugende Eigenschaft des Bewusstseins lässt sich nicht gedanklich erfassen, beschreiben oder benennen, dennoch ist es kontinuierlich, also ohne Unterbrechung, anwesend.
Die Tatsache unserer gegenwärtigen Bewusstheit hat unzweifelhaft Auswirkungen auf unser Denken, Fühlen und damit auch auf die uns scheinbar umgebende materielle Welt. Denn ohne die nicht-objekthafte Erfahrung der eigenen bewussten Anwesenheit hätte z.B. dieser Text nicht zustande kommen können, der sich nun in Form von Informationsbits im Internet scheinbar materialisiert. Wie aber kann etwas Immaterielles auf etwas Materielles Einfluss nehmen? Wie sollte aus einer Erfahrung, die völlig frei ist von jeglicher Dinghaftigkeit, die Dinge der Welt verschoben werden? Das ist unmöglich. Aus diesem Grund ist der monistische Materialismus folgerichtig gezwungen, die Tatsache der immateriellen bezeugenden Funktion des Bewusstseins zu leugnen oder als eine schwer verständliche Illusion hinzustellen.
Akzeptiert man aber die o.g. Wechselwirkung zwischen immaterieller Erfahrung und Reaktionen in der gegenständlichen Welt und bedenkt weiterhin, dass beide Bereiche von derselben Substanz sein müssen, dann folgt daraus zwangsläufig, dass nicht Bewusstsein von materieller Substanz, sondern Materie von Bewusstseins-Substanz sein muss. Das ist der Beweis: alles ist Bewusstsein!
Nun ließe sich an dieser Stelle einwenden, dass es letztendlich belanglos ist, ob man die einheitliche Grundsubstanz des Universums nun Materie oder Bewusstsein nennt. Etwas Einheitliches kann man ohnehin nicht benennen, da es ja keine zweite Substanz gibt, von der sie sich unterscheiden könnte. Das ist richtig. Allerdings impliziert der Begriff „Materie“ eine Substanz, die zunächst NICHT bewusst ist. Demnach existieren materielle Strukturen, die von niemand und nichts erlebt werden. Dies stellt im Materialismus sogar den Normalfall dar. Was der Begriff „Existenz“ in diesem Fall bedeutet ist allerdings unklar. Dagegen versteht sich die Grundsubstanz „Bewusstsein“ als ein Potential, das niemals nicht gewahr ist. Existenz bedeutet in diesem Kontext immer „erlebtes Sein“ und dieses „erlebte Sein“ ist allgegenwärtig. Monistischer Materialismus und Idealismus sind, besonders hinsichtlich unseres Schicksals als bewusste Wesen, nicht dasselbe. Der Unterschied könnte wohl nicht größer ausfallen.
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